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Politische Erklärung zur Besetzung der Predigerkirche in Zürich
Heute Freitag, 19.12.2008 haben rund 150 Sans-Papiers und Schweizer AktivistInnen die Predigerkirche in Zürich besetzt. Es ist auf den Tag genau ein Jahr her, seit die Grossmünster-Kirche symbolisch besetzt wurde, um gegen die Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht zu protestieren. Ein Jahr danach stellen wir ernüchtert fest, dass das Migrationsamt Zürich weiterhin an seiner unmenschlichen und irrationalen Migrationspolitik festhält.
Da wir nicht länger bereit sind diese Haltung seitens der Behörden und der Zürcher Regierung stillschweigend zu akzeptieren, haben wir Sans-Papiers und Schweizer AktivistInnen uns entschlossen, mit der Besetzung der Predigerkirche auf unsere unerträgliche Situation aufmerksam zu machen und auf unsere Rechte zu pochen. In allen anderen Kantonen hätte der Grossteil von uns längst ein Bleiberecht erhalten!
Anscheinend gilt für den Kanton Zürich das Schweizer Recht aber nicht. Oder wie kommt es, dass der Kanton Zürich unterdessen der einzige Kanton ist, wo keine Härtefallgesuche behandelt werden? Wie kommt es, dass eine Behörde uns zwingt, strafbare Handlungen zu begehen und uns so zu Kriminellen stigmatisiert? Zum Beispiel müssen viele von uns Sans-Papiers, welche in den Notunterkünften leben, wöchentlich einmal auf dem Migrationsamt erscheinen, wo wir eine neue Unterkunft zugeteilt bekommen. Die Nothilfe wird jedoch in Form von Migros-Gutscheinen ausbezahlt und uns bleibt nichts anderes übrig, als schwarz zu fahren!
Die Härtefallregelung wäre ein probates Mittel an diesen Missständen etwas zu ändern, wovon letztendlich Alle profitieren würden. Die Gesellschaft, weil dadurch Menschen, welche seit Jahren hier leben, sich endlich nachhaltig integrieren und arbeiten könnten. Die Arbeitgeber, weil sie uns nicht mehr illegal beschäftigen müssten. Wir, weil wir nach jahrelanger Flucht und auf der Suche nach Schutz und einem menschenwürdigen Leben, endlich die Sicherheit hätten, die wir zum Leben benötigen.
Wir, die 6-Campers, 7-Day’lers und das Zürcher Bleiberecht-Kollektiv haben uns deshalb entschlossen, für unsere Rechte zu kämpfen. Wir lassen uns nicht mehr länger so behandeln und zu den „schwarzen Schafen“ dieser Gesellschaft machen. Auch wir sind Menschen, auch wir haben Rechte. Wir haben genug und es reicht. Die Zeit ist gekommen aufzustehen und sich zu wehren. Wir sind hier und wir bleiben hier.
Wir wollen mit der Kirchenbesetzung auf folgende Forderungen aufmerksam machen:
Humane und unbürokratische Umsetzung der gesetzlich verankerten Härtefallregelung! Papiere für alle! - Schluss mit der Kriminalisierung und Inhaftierung von Sans-Papiers! Aufhebung des Arbeitsverbotes – Arbeit statt Nothilfe! |
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Aktualisiert am 20.12.2008
Rund 150 Sans-Papiers und Aktivisten des Zürcher Bleiberecht-Kollektivs, die am Freitagmittag die Predigerkirche im Niederdorf besetzt hatten, können bis auf weiteres bleiben, sofern sie den Eingangsbereich «einladender» gestalten.
Verschandelt den Eingangsbereich: Das Plakat «Bleiberecht Jetzt» muss weg.
Ein riesiges, quer über die Kirchentreppe gehängtes Transparent, das «Bleiberecht Jetzt» fordert, muss anderswo hin. Und die Stellwände mit Informationen über die Besetzungsaktion müssen auch vom Eingang verschwinden.
Sie könnten gern innerhalb der Kirche aufgestellt werden, aber nicht quer zum Eingang, denn «quer ist eine psychologische Barriere», erklärte Pfarrerin Renate von Ballmoos zwei Besetzerinnen. Nach längerem Hin und Her haben die beiden jungen Frauen vom Bleiberecht-Kollektiv verstanden: Der Eingangsbereich soll freundlich wirken, soll die Kirchgänger nicht abschrecken.
Nach der ersten Nacht in der Kirche ist die angestrebte öffentliche Aufmerksamkeit erreicht, «jetzt geht es darum, die persönlichen Kontakte zu fördern», sagte Kirchenpflegepräsident Daniel Lienhard am Samstagmittag vor den Medien. Mit der Polizei sei er in Kontakt. Ein Eingreifen stehe aber nicht zur Diskussion.
Werben um Verständnis
Der katholische Pfarrer Franz Müller, der auch in der Predigerkirche tätig ist, unterstreicht, es gehe darum, dass die Gottesdienst-Besucherinnen und -Besucher grösseres Verständnis bekommen «für die Sache». Wichtig sei die Art und Weise der Kommunikation.
Die Kirchgemeinde hat am Samstag eingelenkt: Die Besetzer dürfen bis auf weiteres bleiben. Laut Michael Stegmaier vom Bleiberecht- Kollektiv ist die Aktion nicht befristet. Einige Sans-Papiers seien fest entschlossen, zu bleiben, bis sie endlich Papiere hätten. Diese werde man so gut als möglich unterstützen.
Stefan Schlegel vom Kollektiv betonte, Sans-Papiers seien nicht Menschen, die ihre Ausweise vernichtet hätten. Ihre Papiere seien abgelaufen oder ihnen abgenommen worden.
«Handgemachte» Behelfsausweise
Sie haben nur Behelfsausweise, welche sie den Medienleuten vorzeigen: Von den Unterkünften ausgestellte und abgestempelte, sehr «handgemacht» wirkende Kärtchen mit Foto, Namen, Geburtsdatum und dergleichen.
Vor den Medien erzählen mehrere Sans-Papiers von ihrem Leben. Sie wollen, dass die Bevölkerung ihre Situation kennenlernt. Jede Woche werden sie in eine andere Unterkunft geschickt, sie dürfen nicht arbeiten, haben kein Geld, wissen nie, wie es weitergeht.
Sie erhielten zwar Kleider, Kost und Logis, sagt einer. Man könne damit überleben. «Aber unsere Seelen sind tot». Die Leute wünschen sich einen Platz in der Gesellschaft, wo sie akzeptiert sind.
Eine Frau aus Afrika findet gar Worte der Dankbarkeit für die Schweiz, wo sie seit sechs Jahren lebt. Es sei aber nicht gut, immer nur zu nehmen und nie etwas zurückgeben zu können. Sie würde gern arbeiten, Steuern zahlen, sich integrieren.
Mit ihrer Aktion machen sie einen Schritt auf die Bevölkerung zu. Und sie finden kleine Möglichkeiten, sich zu integrieren: An der Probe für ein Musical, das am Sonntag in der Kirche aufgeführt wird, hätten mehrere Sans-Papiers mitgemacht, erzählt Kichenpflegepräsident Lienhard.