|
Wie ihr sicher schon gelesen habt, wurde gestern quasi eine komplette Demonstration verhaftet, 245 Leute. Als die Leute sich um 20.00 Uhr versammelt hatten vernahm man mal, der Wasserwerfer hätten gerade die Polizeikaserne verlassen. Also sind die rund 150 - bis 200 Leute die am Versammlungsort (Vögelipark) waren, sogleich loszogen. Aber weiter als dem Versammlungsort selbst kamen sie nicht, die Polizei zog sogleich auf. Der ganze Park (!) wurde von derart vielen Polizisten aus allen Seitenstrassen (!) umstellt, dass sofort klar war, wie die polizeiliche Strategie aussehen würde: Die Kundegebung im Keim ersticken. Jetzt wurde es auch den Hintersten und Letzten klar, dass sie einem nun Festnehmen würden.
Die Polizei drängte alle Leute die im Park waren unter Pfefferspray-Einsatz zusammen und umstellten uns alle. Danach begangen sie mit gefährlichen & brutalen Greiftrupps einer nach dem anderen zu Verhaften. So wurden am Boden liegende Leuten in den Bauch getreten oder man bekam, war man das Objekt eines Greifers wurde einfach mal einen Faustschlag ins Gesicht ab. Dies nahm man natürlich nicht hin und so kam es zu einem stundenlangen Gezerre wobei nicht bloss 3 mal Pfefferspray eingesetzt wurde. Die Leute begingen Ketten zu bilden und wehrten sich, so gut es ging gegen jede einzelne Festnahme. So musste die Polizei Person für Person aus den Ketten reissen, wobei die einzigen Möglichkeiten die der Polizei blieben rohe Gewalt oder Pfefferspray waren. Gelegentlich gingen Leute freiwillig aus dem Kessel um der Gewalt zu entgehen oder gingen weil sie schlichtwegs verletzt waren, anderen wurde diese Möglichkeit freiwillig zu gehen verwehrt. Die ganze Szenerie wurde von mehreren Polizisten auf Video festghalten, jede Verhaftete Person wurde ebenfalls per Videocam vor Ort aufgenommen. Wurde man Verhaftet brachten sie einen nach Aufnahme der Personalien in einen Kastenwagen und brachten einem irgendwohin.
Ich wurde dann zusammen mit anderen in eine Zivilschutzanlage (Sonnenberg, ca. 200m unter der Erde) abtransportiert. Die Polizei wurde während der ganzen Zeit in diesem Bunker von Zivilschutzläuten assistiert. Dort angekommen landeten zuerst einmal alle in einen grossen Raum von wo ich dann nach stundenlangem Warten irgendwann mal in einer Sammelzelle landete. Wenn man sich diese Zellen genauer ansah, wurde einem sofort klar dass diese Einrichtung recht neu war, dies sah man z.B. an den neu anmutenden Zellentüren. Auf jeden Fall war man die ersten, die je damals darin eingepfercht wurden. Alle hatten bei der Verhaftung Kabelbinder bekommen (in der ersten Sammelzelle hatte jemand ein Messer dabei), da man diese aber oftmals relativ leicht abbekam gab es für mich dann Handschellen.
Von dieser Sammelzelle wurde man dann irgendwann mal zur Leibesvisitation gebracht und dann in die neben der ersten liegende Sammelzelle gesteckt. In dieser Sammelzelle gab es dann endlich einen Schlüssel (!) und man konnte sich jeder Fesselung entziehen, leider aber gabs da keinen Tabak mehr. Die ganze Sache war eine riesengrosse Warterei und eine tragische Komödie für sich. Diese Sammelzellen bestanden immer aus zwei Räumen, einmal abgetrennt mit einer Tür, einmal ohne. Dieser hintere Bereich wurde dann kurzerhand zur Toilette umfunktioniert. Mit der Zeit war dann diese zweite Sammelzelle überfüllt mit Leuten und es entwickelte sich ein bestialischer Gestank in einem Raum ohne Zuluft. Es war eine Saune.
Hier wurde dann alles, was nicht niet und nagelfest war von den Wänden gerissen und den Polizisten im Gang als Geschenk übergeben. Als dann die Türe zwischen den zwei Räumen herausgehebelt wurde verlegte man uns in die erste Sammelzelle zurück und wir bekamen neue Handschellen bzw. Kabelbinder. Die Stimmung hier kam schon fast einem Knastaufstand gleich. Am neuen Ort war natürlich auch der Handschellenschlüssel wieder dabei und nach einer Reiberei an der Zellentür (wo einem fast das Bein gebrochen wurde) verlegte man dann einen Teil der Leute in Kleinzellen. In einer dieser Kleinzellen hatten sie am Anfang ein paar Frauen eingesperrt und das Guckloch in der Tür zugemacht. Als Folge dessen bekamen sie keine Luft mehr, sie husteten und atmeten von der am Boden verbleibenden Luft während alles ober ihnen wie Nebel aussah, sauerstoffarme Luft.
Anfangs war der Toilettengang und die Wasserversorgung in den meisten Fällen (auch durch die Zivilischützler) relativ gewährleistet. Aber wie es später wurde wurde auch die Versorgung von Wasser und der Möglichkeit auf's WC zu gehen gleich null. Die meisten Zivilschützler verliessen so gegen halb 5 die Anlage. Ich habe dazu auch gehört, dass gewisse Frauen in den Zellen wesentlich schlechter behandelt und versorgt wurden als wir in den Sammelzellen. Auch sei eine Frau geohrfeigt worden, so dass sie nachher blaue Flecken hatte, kann ich aber zurzeit nicht bestätigen.
Die Polizisten in dieser Anlage waren im Grunde völlig überfordert. Sie mussten sich einiges gefallen lassen, hatten keine Pausen und waren von Anfang bis Ende im Dienst. In gewissen Situationen mussten sie Verstärkung herbeiholen. Die ganze Prozedur dauerte eine Ewigkeit und sie selbst wussten wahrscheinlich auch nicht genau wie es weiterging. Irgendwann war man dann auch mal an der Reihe und wurde entweder gleich im Bunker verhört oder wurde dazu zur Stadtpolizei/Kantonspolizei gefahren. Diejenigen Leute die gleich in der Anlage verhört wurden, wurden meist nicht zurück in die Stadt gefahren sondern in irgendwelchen Nachbargemeinden ausgesetzt (O-Ton: Wir wollen euch nicht mehr in der Stadt). Die anderen bei der Stapo oder Kapo wurden dann dort freigelassen wo auch gleich die Leute von der Antirep warteten.
Für mich hatte es manchmal den Anschein als wurden Leute die eher aussehen als hätten sie weniger damit zu tun als andere umso schlechter behandelt, vor allem aber Frauen. Es sollte quasi die Botschaft vermittelt werden das sie sowas am besten nie wieder tun. Wenn ich mir vorstelle, dass diese Anlage für die EM08 umgerüstet wurde läuft mir ein Schaudern den Rücken hinab. Wenn die Polizei denkt, sie könne dann mit den Hooligans gleich verkehren wie mit uns werden sie wohl noch eine Überraschung erleben. Wenn man dort Hooligans hineinstecken will muss man mit Szenen jenseits der gestrigen Tragödie rechnen, gar mit Schwerverletzten. Dass diese ganze Sache schon im vornherein geplant war ist nach dieser Nacht nicht von der Hand zu weisen. Dieser ganze Anlass diente einzig und allein um für die EM08 zu proben und dies gleich den UEFA Bossen zu präsentieren.
Für uns stellt sich nun die Frage wie man dagegen Widerstand leisten will. Könnte man sich einen solchen Samstag einfach mal nur Normalität machen bis die Stadt einlenkt und die Versalmmlungsfreiheit wiederherstellt. |
|
«Die Polizei schlug wahllos mit Knüppeln auf uns ein»
Teilnehmer der illegalen Boa-Demo kritisieren den harten Einsatz der Polizei. Diese räumt Probleme bei den Abläufen ein.
Ein unbewilligtes Strassenfest gegen die Schliessung der Boa und für mehr kulturelle Freiräume artete am Samstagabend zu einer Massendemo im und ums Vögeligärtli aus. Die Polizei verhaftete 245 der rund 800 jungen Leute. «Die Polizei reagierte völlig unverhältnismässig und schlug wahllos mit Fäusten, Knüppeln und Schildern auf uns ein», sagt Jacqueline Wüst. «Drei Polizisten drückten mich zu Boden, jetzt habe ich überall blaue Flecken», sagt die 18-Jährige weiter.
Die Polizei weist diese Vorwürfe zurück. «Mehrzweckstöcke stehen den Polizisten zur Abwehr zur Verfügung», sagt Ernst Röthlisberger von der Stadtpolizei Luzern. Kritik hagelt es auch wegen der Unterbringung der Festgenommenen in der ehemaligen
Zivilschutzanlage Sonnenberg. «Die Festgenommenen mussten sich nackt ausziehen und wurden teilweise bis am Sonntagmorgen festgehalten», sagt ein anderer Demonstrant.
Pro Zelle seien es rund zwölf Personen gewesen, sie hätten nur Wasser bekommen und ohne Decken auf dem kalten Steinboden ausharren müssen. «Wir werden in Sachen Abläufe und Unterbringung bei Massenfestnahmen über die Bücher gehen», sagt Röthlisberger dazu.
Anne-Käthi Kremer